Konrad Lange


Als nach dem Tod von Karl Reinhold von Köstlin (*28.09.1819, †11.04.1894) der Lehrstuhl für Ästhetik und Kunstgeschichte neu besetzt werden musste, fasste die Philosophische Fakultät den Beschluss, die Professur an einen philosophisch-ästhetisch geschulten Kunsthistoriker zu vergeben. Berufen wurde Konrad Lange (*15.03.1855, †29.07.1921), der am 3. Dezember 1894 seine erste Vorlesung in den Räumen des neugegründeten Kunsthistorischen Instituts hielt.

Bereits 1894 begann Lange mit dem Aufbau einer Lehrsammlung, die ab 1897 für das allgemeine Publikum geöffnet war. Mit dieser Ausrichtung auf die Öffentlichkeit ermöglichte er nicht nur den Studierenden, sondern auch den Tübinger Bürgerinnen und Bürgern eine kunsthistorische Bildung. Hier zeigte sich Langes Auffassung, Kunstgeschichte als allgemeinbildendes Fach zu begreifen und mit Kunsterziehung zu verbinden. Die Schulung in Ästhetik, aber auch die Praxis in künstlerischen Techniken sah er als wesentliche Voraussetzungen für eine gründliche kunsthistorische Ausbildung: „Wer über Malerei schreiben will, sollte zeichnen und malen können, wer die Geschichte der Plastik zu erforschen beabsichtigt, im modellieren geübt sein“ (Ratschläge für Doktoranden, 1920). Kunsterziehung und Ästhetik verbanden sich für Lange im zeitgenössischen Film, dessen Ausprägung als modernes „Kinodrama“ er äußerst kritisch gegenüberstand. Kunst waren Filme wie Das Cabinet des Dr. Caligari (1920) für ihn nicht, vielmehr verurteilte er sie als publikumsgefährdend. In der Tübinger Chronik protestierte und polemisierte der Kunsthistoriker wiederholt gegen den „Schundfilm“, die Kinobetreiber antworteten mit Hausverbot. Und wenngleich Lange sich von Bernhard Pankok porträtieren und eine Villa bauen ließ, ist es doch nicht ganz richtig, ihn als Freund der Moderne zu sehen. Lange war fachlich konservativ, den Kubismus etwa bezeichnete er in einem 1920 publizierten Aufsatz als „Verirrung“. Die von ihm vertretene psychologische Ästhetik basierte auf der „künstlerischen Illusion“, dem „ästhetischen Schein“ und war damit an die zeitgenössische künstlerische Avantgarde nicht anknüpfbar und erwies sich so kaum durchsetzungsfähig.

Konrad Langes Bedeutung zeigt sich vor allem in seinem vielfältigen Wirken in Tübingen und der Region. In der Staatsgalerie Stuttgart ist Langes Schaffen ebenfalls noch sichtbar, hier verantwortete er von 1901 bis 1907 als stellvertretender Inspektor den ersten wissenschaftlichen Bestandskatalog und tätigte wichtige Neuerwerbungen. Lange engagierte sich zudem im Heimatschutz. Als die Stadt Anfang des 20. Jahrhunderts modernisiert werden sollte, setzte er sich für den Erhalt der alten Alleen ein. Wie die schmutzigen Tübinger Gassen waren sie für ihn ein Teil der „malerischen Natur“ und damit in ihrer sinnlichen Anschaulichkeit ein ästhetischer Genuss.

Portrait Konrad Lange Von 1905–1906 war Konrad Lange Rektor der Universität Tübingen. Sein Porträt für die Professorengalerie malte Bernhard Pankok im Jahr 1906. | MUT Tübingen
Haus Lange Modernes Design in Tübingen. Das 1901–1902 erbaute Haus Lange wurde von Bernhard Pankok entworfen, Mitbegründer der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk und später des Deutschen Werkbundes. | Stadtarchiv Tübingen